Work wurde gerade auf Deutsch veröffentlicht, dank unserer Freund*innen von Black Mosquito. Unser Poster zur Pyramide des Kapitalismus ist zusätzlich auch in deutscher Übersetzung erhältlich. Eine deutschsprachige Tour zur Präsentation des Buches ist im Gange, nachdem im Frühjahr letzten Jahres eine englischsprachige Tour zum gleichen Thema stattgefunden hat.
Bei Black Mosquito gab es kürzlich eine Hausdurchsuchung, bei der die Behörden unter einem Vorwand ihre Computer und Waren stahlen. Unsere Freund*innen lassen sich davon nicht aufhalten, aber sollten die Behörden sie weiterhin schikanieren, werden wir zu Solidaritätsaktionen aufrufen. Unser Dank gilt auch allen, die sich an der Besetzung der Hauptmann-Schule in Berlin beteiligt haben und direkt gegen Polizeiangriffe auf Flüchtlinge vorgehen.
Wir reproduzieren hier unsere Einführung in die deutsche Version von Work, die kurz die Ziele des Projekts, den Kontext, in dem es entstanden ist, und die vorläufigen Ergebnisse beschreibt:
Wir haben in weniger als drei Jahren ungefähr 15.000 Exemplare von Work verkauft und über 60.000 Kopien des dazugehörenden Posters verteilt. Der Text ist – neben anderen Sprachen – schon auf serbokroatisch, russisch, koreanisch erschienen. Zusätzlich haben wir dem Rapper POS hunderte Bücher und einige tausend Kopien des Posters gesendet, der sie mit seinem Album »We Don’t Even Live Here« zusammen verschickt hat. Dies brachte das Buch in die Hände Vieler, die nicht regelmäßig nach anarchistischer Literatur suchen. Wir haben von einigen seiner Hörer*innen wirklich gutes Feedback bekommen.
Wie an alle unsere Publikationen sind wir an »Work« nicht einfach wie an ein Buch herangegangen, sondern wie an ein multimediales Projekt. Es existieren mehrere Ebenen: Zum einen das Pyramide des Kapitalismus-Poster, eine Erneuerung des IWW Plakates, das vor hundert Jahren erschien; dann eine Serie von Plakaten, die, nach Erscheinen des Buchs, monatelang in verschiedenen Städten plakatiert wurden; und schließlich das Buch selbst. Dazu gab es Vortragsreisen durch drei Kontinente, bei denen direkt mit den Adressat*innen des Buches debattiert wurde und eine Reihe von internen Diskussionen zwischen Genoss*innen ermöglicht wurden, die darauf abzielten, unser Verständnis des momentanen ökonomischen Kontextes zu vertiefen und passende Strategien zu entwickeln.
Wir haben uns entschlossen, das ursprüngliche IWW-Plakat zu seinem hundertjährigen Jubiläum zu erneuern, um Kontinuität mit der alten Arbeiter*innen-Bewegung auszudrücken – eine Menge hat sich geändert, aber wie kämpfen in unserem Kontext, wie unsere Vorgänger*innen in ihren gekämpft haben. Gleichzeitig wollten wir eine komplexere Pyramide darstellen – um die Breite der Hierarchien, die durch den Kapitalismus geschaffen werden aufzuzeigen. Außerdem wollten wir klar stellen, dass das Problem nicht in der Herrschaft einer bestimmten sozialen Gruppe liegt, sondern in den Machtungleichgewichten, die durch den Markt aufgezwungen werden. Statt einem belehrenden oder aufrührerischen Poster, wollten wir eines schaffen, dass Fragen aufwerfen würde.
Wir begannen »Work« Mitte 2010, als die ökonomische Krise seit mehr als einem Jahr in Erscheinung getreten war, sich aber außerhalb Griechenlands wenig Beweise für die kommenden globalen Aufstände finden ließen. Wir hatten gerade »Der Kampf auf dem neuen Terrain« (auf deutsch in Message in a Bottle erschienen) herausgegeben und wollten mit einem Projekt globaler Reichweite dort ansetzen, wo die Projekte, die in diesem Text kritisiert wurden aufhörten. Einige von uns lasen ein große Bandbreite an Material und trafen sich regelmäßig um eine gemeinsames Verständnis der zeitgenössischen Ökonomie auszuarbeiten, beginnend mit den Details unseres Alltagslebens. Nach längeren Diskussionen einigten wir uns auf die Details des Pyramiden-Plakates – sowie auf die Analyse des Wachstums des Dienstleistungssektors, die richtigen Worte für die Absätze über Sexarbeit, und über viele andere schwierige Themen.
Als wir dabei waren das Buch Anfang 2011 fertig zu stellen, war der sogenannte Arabische Frühling schon los gegangen. Am Ende des Layout-Prozesses fügten wir eine Fotografie eines Posters an, das Auszüge aus unserem Entwurf enthielt, plakatiert bei der Besetzung des Regierungsgebäudes in Wisconsin. Einige Monate nach der Veröffentlichung von »Work« waren wir dem Kurs der Geschichte voraus, verkündeten Allen, die es hören wollten, dass sich keine Erhebung in den Vereinigten Staaten ausbreiten würde, deren Ausgangspunkt festgelegte Positionen innerhalb der Ökonomie (wie sichere Arbeitsplätze oder Gewerkschaftsrechte) seien – sondern dass die wichtigste Sache ist, mit der gemeinsamen Prekarität zu beginnen, die zunehmend vom Kapitalismus auferzwungen ist.
Diese These stellte sich bei Ausbruch der Occupy-Bewegung als richtig heraus. Während der folgenden Monate beteiligten wir uns an Direkten Aktionen, die diese Bewegung immer weiter vorantrieben, und organisierten Vortragsreisen im Land um die, auf Anarchismus und Revolution neugierig gewordenen, Protestierenden zu erreichen.
Als die Occupy-Bewegung 2012 starb, schickten uns Genoss*innen aus New York City die Ausgabe von „Work“, die sich in der Occupy Wall Street Bibliothek befunden hatte, als die Polizei das Camp durchsuchte und alles konfiszierte. Nachdem es monatelang von Hand zu Hand gegangen war, durch Unwetter und Pfefferspray, und danach weitere Monate in Polizeigewahrsam, sah das Buch aus, als ob es im Krieg gewesen wäre.
Eines der charakteristischen Merkmale von »Work« ist der Versuch eine anarchistische – womit wir meinen: nicht-marxistische – Analyse der Ökonomie zu destillieren.
Einige Marxist*innen, die (wie Monotheist*innen) die Arbeiten ihrer Meister in allem entdecken, was sie erblicken, haben das Projekt missverstanden: Für sie gibt es keine Kritik des Kapitalismus ohne Marx und so muss Alles, was sich mit der Ökonomie auseinander setzt als besserer oder schlechterer Marxismus bewertet werden. Für uns ist allerdings wichtiger ständig und kollektiv unsere eigenen Analysen der Bedingungen zu verfeinern, die vor allem auf unseren eigenen Erfahrungen basieren, statt die Werke der Großen Männer der Geschichte zu studieren.
Die Entwicklung unserer Kritik für dieses Buch, hat auch nach seinem Druck unseren strategischen Sinn geschärft. Diese Kritik entwickelt sich stetig fort, wie mensch an neueren Projekten (z.B. »Deserting the Digital Utopia«) erkennen kann. »Work« richtet sich vor allem an jene, die ihren Widerstand den aktuellen Entwicklungen der Ökonomie anpassen wollen und sich dabei nicht an Blaupausen aus den letzten Jahrhunderten halten wollen.
Das Buch kann besonders relevant im heutigen Deutschland sein, grade wegen den Unterschieden zwischen deutschem und US-Kontext. Deutschland hat bislang noch keine wirkliche Rezession erfahren, die gesamte Welt befindet sich jedoch im langsamen Niedergang in die Prekarität. Die alten Übereinkommen zwischen Staat und Subjekt, Arbeitgeber*in und Angestellten bröckeln langsam. Wo wir heute sind, werdet ihr bald sein. Sei bereit.
Für die revolutionäre Abschaffung des Kapitalismus und der Arbeit selbst
— ein Crimethinc. ex-Worker